Junge Menschen in der Pflege

Es gibt unzählige junge Menschen, die in der Pflege arbeiten, aber lange nicht so viele wie unser Gesundheitssystem bräuchte. Viele bekommen eine anständige Ausbildung, ein nicht unerheblicher Teil davon mag und kann die teilweise ziemlich schwierigen Ausbildungsbedingungen nicht mehr ertragen und bricht ab. Unten haben wir mal Aussagen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Gesundheitsberufen gesammelt - es werden ständig mehr - also gerne immer wieder mal vorbeikommen und schauen. (GuK = Gesundheits- und Krankenpflege)

Zitate junger Menschen über die Pflege

Ausbildung

"Die Ausbildung Pflegefachfrau ist eher mit einer Ausbeutung gleichzusetzen. Man bekommt keine Lerninhalte vermittelt, im praktischen Einsatz wird man als examinierte Pflegefachkraft missbraucht - auch gegen den Willen von den anderen examinierten Kolleg*innen. Die wollen einen eigentlich auch gut ausbilden, haben aber keine Zeit dafür." (Michi, 22, examinierter GuK)

"Man hat einen unglaublichen Workload: man wird zur Funktionspflege abgestellt und hat deswegen gar keine Möglichkeit und Zeit konzeptionell zu lernen." (Sammy, 20, Azubi 3. Ausbildungsjahr GuK)

"Ich hatte in meiner Ausbildung 2 oder 3 Pflegekräfte kennen gelernt und jetzt in meiner Arbeit zwei Bezugspersonen, die sind für mich große Vorbilder weil die trotz der widrigen Bedingungen einfach nur wahnsinnig personenbezogene und wirklich auch eine evidenzbasierende Pflege am Patienten tun und den Beruf auch noch mit vollem Herzen machen. Das war für mich eigentlich auch noch mal Grund warum ich überhaupt noch im Beruf bin, weil ich weiß es geht halt noch anders!" (Madlen, 24, GuK)

"Ausbildungsqualität gibt es eigentlich kaum - auch in der Schule, weil die Lehrer*innen in der Schule teilweise schon so lange nicht mehr am Bett im Dienst gewesen sind, da merkt man leider auch, dass denen der Praxisbezug komplett fehlt und sie deswegen manchmal Anforderungen an uns Auszubildenden stellen, die im praktischen Einsatz gar nicht erfüllt werden können." (Febri, 2. Ausbildungsjahr Altenpflege)

"Man  bekommt keinerlei pharmakologischen Grundlagen an die Hand. Weder in der Theorie noch in der Praxis und die Ausbildung von den Ärzt*innen, die für die medikamentöse Therapie verantwortlich sind ist manchmal unter aller Sau. Denn auch unter den Ärzten gibt es einen großen Mangel an Fachkräften" (Snježana, 17, Auszubildende GuK)

"Außerdem möchte ich, das der Pflegeberuf weiterhin akademisiert wird und wissenschaftlich evidenzbasiert in der Praxis auch gearbeitet wird. Er ist zwar sehr fachlich in der Theorie aber es gibt genug Pflegekräfte die vollkommen immun sind gegenüber wissenschaftlichen Fakten und neuesten Erkenntnissen in der Wissenschaft. Patientenversorgung lebt auch davon, dass man evidenzbasiert und mit Kopf seine Patientinnen pflegt und sich nicht den neuesten Erkenntnissen stur widersetzt." (Juliette, 23, Bachelor Pflegewissenschaften und GuK)

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Personalmangel

"Bei uns sind alle Berufsgruppen unterrepräsentiert, vom Physiotherapeuten, Logopäden, vom Funktionspersonal,... wenn da keiner kommt um die Patienten zu bewegen, dann motivieren wir die zu etwas Minimalsport. Das sehen die Pflegekräfte alle auf Station, also ich mache da nicht nur meinen Beruf sondern noch zehn andere." (Judy, 18, GuK 3. Ausbildungsjahr)

"Bei uns an der [großen] Klinik sind die Pflegekräfte zum größten Teil verantwortlich für die medikamentöse Therapie. Das dürfen wir aber rein rechtlich nicht und begeben uns da immer mit einem Schritt ins Gefängnis. Wenn da irgendwas schief laufen sollte, dann verlieren wir die Berufsbezeichnungen aber wir müssen so handeln weil eben viele Patientinnen da sind." (Madlen, 24, GuK)

Cooldown

"Der Cooldown in der Pflege ist ein großer Aspekt der auch auf Auszubildende Auswirkungen hat, weil deswegen Pflegekräfte, die eben empathielos sind, keine Lust haben auf Ausbildung weil sie selber ausgebeutet werden." (Jorinda, 20, GuK)

"Außerdem wird man in der Ausbildung mit Pflegekräften konfrontiert, die das Wort Empathie noch nie in ihrem Leben gehört haben und absolut menschenunwürdig über Patient*innen, Kolleg*innen, Ärzt*innen und andere Berufskolleg*innen reden, die ihren Frust bei jemandem ablassen müssen. Das sind dann die Patienten oder es dürfen wir Auszubildende sein. Und das ist einfach nur dann eigentlich ein großer Streit in der Pflege gerade." (Sammy, 20, Azubi 3. Ausbildungsjahr GuK)

"Niemand ist in den Beruf gegangen wegen dem Geld, niemand ist in den Beruf gegangen wegen den Arbeitsbedingungen. Jeder Mensch der in der Pflege arbeitet hat Ideale und Überzeugungen. Die wurden bei vielen über Jahre einfach nieder gestampft, kaputtgemacht, totgestochen, so das deshalb nichts mehr an Empathie da ist im Beruf, der davon lebt, dass Menschen empathisch anderen Menschen gegenüber sind." (Michi, 22, GuK)

"Dafür dass ich irgendwann nicht auch mal den Cooldown erlebe, muss ich halt was ändern- Deswegen bin ich Gewerkschaftsmitglied und deswegen versuche ich in ganz vielen unterschiedlichen Gremien was zu verändern und das müssten noch mehr Pflegekräfte so sehen und dann könnten wir auch wirklich viel verändern." (Judy, 18, GuK 3. Ausbildungsjahr)

Pflege statt Profite

"Ich würde mir wünschen, dass das Gesundheitssystem keinen ökonomischen Zwängen unterliegt, das es eine freie Gesundheitsversorgung gibt für alle Menschen die das benötigen." (Cara, 23, Altenpflegerin)

"Ich wünsche mir, dass alle Menschen in ein Gesundheitssystem einzahlen und in ein Rentensystem einzahlen und sich nicht Berufsgruppen rausziehen können die Spitzenverdiener sind. Milliardäre, Millionäre, Unternehmer*innen, Beamte,... die einfach ein falsches Recht haben auf eine bessere Gesundheitsversorgung." (Madlen, 24, GuK)

"Es kann nicht sein in einem Staat wie Deutschland, der ach so entwickelt ist und ein noch so tolles Industrieland ist, aber unser Gesundheitssystem ist einfach nur ein Armutszeugnis und spielt Kapitalisten in die Hände und da geht's nicht mehr um den Mensch da geht's einfach um Profite und das kann nicht sein." (Juliette, 23, Bachelor Pflegewissenschaften und GuK)

"Wir sind mega wichtig, jeder braucht uns, und wenn wir einmal die Spritze, einmal die Pinzette, einmal die Infusion fallen lassen, dann läuft so gar nichts mehr. Das sieht man jetzt in Nordrhein-Westfalen in dem Generalstreik. Da passiert halt nichts solange bis sich was für uns verbessert. Aber die Öffentlichkeit interessiert sich nicht für uns!" (Judy, 18, GuK 3. Ausbildungsjahr)

Kirchliche Träger

"Die schlechten Arbeitsbedingungen in kirchlichen Krankenhäusern sind auch ein ausschlaggebender Grund warum sich dieser Beruf nicht weiter entwickelt. In den Einrichtungen geht's von der Einstellung oft einfach immer noch dadrum, dass man [die Pflege] aus Liebe zu Gott macht, damit man seine Nächstenliebe noch mal zeigt." (Steffi, 3. Ausbildungsjahr GuK)

"Das kann nicht sein dass einer der größten Arbeitgeber in Deutschland sich noch gegen das Antidiskriminierungsgesetz stellt, das schlechteste Personalvertretungsgesetz hat das es überhaupt gibt. Da gibt's noch Mitarbeitervertretungen, die einen sehr eingeschränkten Rahmen haben, indem sie überhaupt mitbestimmen können und das darf nicht sein in Berufen, die so eine große Auswirkung auf den sozialen Sektor haben." (Madlen, 24, GuK)

"Die Kirche muss sich endlich mal im 21 Jahrhundert angekommen fühlen - die muss zum Arbeitsrecht und zur Mitbestimmung stehen und verdammt noch mal gegen Diskriminierung jeglicher Art Vorgehen. Es kann nicht sein dass Menschen sich nicht trauen zu ihrer sexuellen Identität zu stehen wenn sie in der Kirche arbeiten." (Jan, 20, GuK)

"Es kann nicht sein dass in katholischen und evangelischen Einrichtungen Unterrichtszeit dafür draufgeht, dass man in den Gottesdienst geht, anstatt dass man Unterrichtseinheiten hat. Eine Ausbildung ist dafür da, Menschen für einen Beruf zu qualifizieren. Was meine religiöse Überzeugung ist, hat nichts in der Ausbildung zu suchen und sollte keine Unterrichtszeit in Anspruch nehmen. Das kann man in seiner Freizeit machen aber verdammt noch mal nicht während der Ausbildungszeit!" (Theresa, 23, Ausbildung zur Pflegehelferin)

Das Schöne an der Pflege

"Das Schöne an der Pflege ist der Gedanke hinter dem Beruf, Menschen zu begleiten im Leben durch Gesundheit und Krankheit." (Meijd, 24, Altenpflegehelfer)

"Schön ist, Menschen dazu zu befähigen, wieder für sich selber da sein zu können und aus Notlagen heraus zu helfen." (Jan, 20, GuK)

"Wir erleben natürlich auch noch, dass Menschen in schweren Krankheitsphasen trotz den miesen Bedingungen durch die Pflege erfahren, dass es noch Hoffnung gibt und dass die Hoffnung sich auch bestätigen kann und nicht nur irgendwie ja utopisch ist." (Michi, 22, GuK)

"Das ist das Schöne an dem Beruf, dass man so unglaublich viel mit Naturwissenschaft machen kann, also wenn man so arbeiten möchte. Man kann sich naturwissenschaftlich sozialwissenschaftlich organisieren und weiterbilden und das kann dann einfach am Ende der perfekte Beruf sein, der ganz viele verschiedene Facetten beinhaltet." (Juliette, 23, Bachelor Pflegewissenschaften und GuK)

Leben und Tod

"Außerdem lernt man in der Praxis vor allem, dass die Autonomie der Patienten massiv untergraben wird, die Patienten zu Pflegehandlungen überredet, gezwungen oder einfach genötigt werden, deren Sinnhaftigkeit absolut zu hinterfragen ist. Sterbende präfinale Patienten müssen nicht alle 2 Stunden unter stärksten Schmerzen gelagert werden und jeden Tag runter gewaschen werden damit man das dokumentieren kann. Außerdem sollten Ärzte und Pflegende sich an Patientenverfügungen halten und nicht unter der Hand im Sinne der Angehörigen handeln und das Leben und das Leiden verlängern." (Cara, 23, Altenpflegerin)

Den Artikel dazu kann man in der Ausgabe des BDKJ-Magazins Querschnitt lesen.

Privatisiertes Gesundheitssystem

Eines der Hauptprobleme ist das privatisierte Gesundheitssystem in unserem Land, das falsche finanzielle Anreize schafft, Spekulanten anlockt und das Wohl von Pflegenden und denen die gepflegt werden hinter die finanziellen Erwartungen einer Behandlung steckt.

Notaufnahmen

Wir als Fachstelle sind auch mit beim  Bündnis für gute Pflege in Ulm dabei um uns dort für die Belange von FSJler*innen und jungen Menschen in der Pflege einzubringen. Unter anderem entstand im Pflegebündnis auch das Heft "Notaufnahmen", in dem wir Berichte aus dem Klinikalltag gesammelt haben.

Hier kannst Du es runterladen (PDF, 2.77MB)

 

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